Sonntag, 28. Dezember 2008

Piktogramm

Ich gehe auf dem Gehweg in meiner Straße und komme an eine Baustelle, die mit Absperrgittern und einem Schild den Gehweg versperrt. Das Schild ist dreieckig mit einem roten Rand und auf ihm ist aus weißem Hintergrund als schwarzes Piktogramm eine Frau mit einem Kind zu sehen. Ich wechsle aber nicht die Straßenseite, sondern gehe um die Absperrung herum, den Gehweg entlang an den arbeitenden Bauarbeitern vorbei. Warum auch? Es ist genügend Platz auf dem Bürgersteig und die Baustelle sieht nicht sehr gefährlich aus.
Doch einer der Bauarbeiter raunzt mich an: „Es wäre gut, lesen zu können, und nicht einfach durch die Baustelle zu latschen. Da steht ein Schild, das zeigt, daß Sie die Straßenseite wechseln sollen.“
Ich sage:
„Werter Herr, ich kann sehr wohl lesen, allerdings habe ich nirgendwo eine Schrift entdeckt, die mir hätte vorschreiben können, daß ich die Straßenseite zu wechseln hätte. Falls Sie Bezug auf das Piktogramm auf dem von Ihnen aufgestellten Schild nehmen – das kann man nicht lesen, das kann man höchstens interpretieren. Und ich habe es offensichtlich anders als Sie interpretiert.
Ich habe es zwar bemerkt, fühle mich aber nicht dadurch angesprochen, da ich ja offensichtlich keine Frau mit einem Kind an der Hand bin, so wie es auf dem Schild abgebildet ist. Ich habe gedacht, daß der Weg auf dieser Seite der Straße auf dem Gehweg für Männer ohne Kind an der Hand – wie ich zweifellos einer bin – freigegeben ist. Und so finde ich es unrichtig, daß ich als kinderloser Mann die Straßenseite wechseln soll. Sollten Sie also wünschen, daß Männer ohne Kind die Straßenseite wechseln, so stellen Sie doch bitte ein dementsprechendes Schild mit einem weiteren Piktogramm auf. Allerdings müssen Sie dann damit rechnen, daß Männer mit Kind die Straßenseite ebenfalls nicht wechseln – übrigens auch Männer mit Hund. Und was machen Sie mit Frauen ohne Kind?“

Ich wollte noch freundlich hinzufügen:
„Sollte dieses Symbol jedoch auf den Füßgänger schlechthin verweisen, so fühle ich mich natürlich angesprochen und wechsele gerne die Straßenseite.“
Aber da war auch schon die leere Bierflasche nach mir geworfen worden – die mich zum Glück knapp verfehlte – und ich suchte schleunigst das Weite; allerdings auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Samstag, 20. Dezember 2008

das nebenstehende bild fand ich heute unterwegs beim einkaufen.ich ging in eine bäckerei und verlangte ein bio-brot.erst sagte die verkäuferin:"was soll das sein?"ich dachte sie hat bier-brot verstanden und wiederholte deutlicher bio-brot.sie schaute mich noch ungläubiger an:"gibts das?"
nun ja, man kann nicht alles revolutionieren.aber eine bäckerei sollte das schon kennen, bio-brot, oder?ich gehe da jetzt jeden tag hin!

Dienstag, 9. Dezember 2008

merkwürdig

Neulich bin ich einer merkwürdigen Frau begegnet - in einem Kaufhaus an der Kasse. Die Frau hat einen Mantel getragen - einen langen schwarzen Mantel, der bis zum Boden reicht und ihr eigentlich viel zu groß war. Sie hatte ihn mit einem langen braunen Gürtel an der Hüfte zusammengehalten. Von hinten sah sie aus wie ein X. Ihr Gesicht war merkwürdig: je nachdem, von welcher Seite man es angeschaut hat, sah sie jünger oder älter aus. Sie trug eine Menge Schminke im Gesicht, was sie ein bißchen jünger aussehen ließ. Ich glaube, wenn man die Schminke abzog, war sie so etwa Mitte 40. Sie hatte einen merkwürdigen Blick. Zwei Augen, die schneidend durch einen durchsahen. Zerschnitten schauten die Menschen um sie herum weg, immer wenn sie die Augen trafen. Sah man sie von der Seite an, so konnte man am ihrem merkwürdigen Kinn viele lange, borstenartige Haare bemerken. Sie sind nicht jedem aufgefallen, denn sie waren durchsichtig.

Was kaufte sie eigentlich ein? - Kondome. Ganz gewöhnliche und nicht merkwürdige Kondome. Drei Packungen. Als sie mit dem Zahlen dran war, zog sie ihre schwarzen Lederhandschuhe aus und selbstverständlich auch die durchsichtigen Plastikhandschuhe, die sie darunter trug und die ihr viel zu groß waren und dann öffnete sie mit einer theatralischen Geste erst ihren braunen Gürtel und dann ... doch sie bruddelte dabei merkwürdig vor sich hin. Sie öffnete also mit einer theatralischen Geste erst ihren braunen Gürtel und dann.... Es waren Worte, die einen merkwürdigen Sinn ergaben. Sie öffnete ihren Gürtel... Ich habe diesen merkwürdigen Sinn nicht verstanden - und sie auch nicht. Vielleicht dauerte es deswegen so lange. Sie öffnete mit einer theatralischen Geste ihren braunen Gürtel und dann ihren schwarzen langen Mantel, der ihr viel zu groß war. Unter diesem Mantel war sie total mager und fast auseinandergefallen, so merkwürdig dünn war sie. Um ihre Knochen hatte sie Beutel gehängt. Viele Beutel. Beutel unterschiedlichen Alters, das sah man. Ein Beutel aus Leder (sehr alt), ein Beutel aus Stoff (nicht ganz so alt), ein merkwürdiger Beutel aus grellbuntem neonfarbenem Stoff (offensichtlich 16 Jahre alt) und noch mehrere andere. Zum Bezahlen öffnete sie jeden einzelnen. Jeder einzelner enthielt eine andere Sorte Münzen, mit denen sie den exakten Betrag für die Kondome auf die Theke legte.

Ich habe den Wahnsinn gesehen und ihn nicht verstanden.

Sonntag, 7. Dezember 2008


Heute morgen noch lief ich die Stufen zur U-Bahn herab und vernahm ausser dem üblichen Durcheinander von Stimmen, Gelärm und Vogelzwitschern (oder waren es Handys?), nichts Ungewöhnliches. Naja, und wenn, es wäre mir vermutlich gar nicht weiters aufgefallen. Ich achte beim Treppensteigen auf wenig. Nur auf die Zahl und die entscheidende Frage: gerade oder ungerade? Manches Mal hängt viel davon ab, manches Mal nehme ich den ungeraden Treppen krumm, dass sie keine gerade Anzahl an Stufen haben.
Sie müssen nämlich wissen, dass ich Stufen quasi sammle und eigentlich jede Treppe daraufhin untersuche, ob man die Schritte durch zwei teilen kann oder nicht.

Ich hasse ungerade Treppen.

Wie gesagt, manches Mal versuche ich bei ungeraden Tritten irgendwo auf meinem weiteren Weg noch eine Stufe - oder auch mehr- zu nehmen, um die Gesamtzahl auf ein gerades Ganzes zu erhöhen. So kommt es, dass ich, ohne etwas zu wollen, kurz in eine Bäckerei laufe, nur um die zusätzliche Stufe hinzuzählen zu können. Das Herausgehen wird dann aber großzügigst übersehen; ich ziehe ja nichts ab und es wäre ja beinahe so etwas wie das Quantifizieren oder gar das Qualifizieren des Rückwärtsgehens. Und das kann ein seriöser Mensch nun wirklich nicht wollen.

Natürlich habe ich auch eine Lieblingstreppe. Wer kann sagen, er hätte so etwas nicht?
Meine befindet sich auf dem Weg zur U-Bahn, wie ich oben schon andeutete. Sie besteht aus zwei Teilen und insgesamt vierzig Stufen. Nicht zu groß und auch nicht zu klein- gerade richtig eben und schön! Zwei mal zwanzig-gerader geht fast nicht. Ich freue mich über die Treppe am Morgen und in den Stunden meiner Heimkehr gegen Nachmittag. Ich nehme immer die Treppe, nie die Rolltreppe oder gar den Lift. Immer zähle ich und immer freue ich mich. Und manchmal, am Wochenende, kommt es vor, dass ich mich aufmache, um nach der Treppe zu sehen und sie rauf und runter zu gehen. Wie an einem normalen Arbeitstag, nur eben ohne Arbeit.
Heute ist jedoch Mittwoch. Ein Umstand, der die Sache zwar nicht ändert und sie auch nicht komplizierter macht, aber mir deutlich sagt, dass es ein normaler Tag ist.
Oder besser gesagt: sein müsste.
Heute morgen noch lief ich die Stufen zur U-Bahn herab. Zwei mal Zwanzig - alles gut. Der Tag verlief erfreulich, ich fand viele gerade Treppen und war auch nicht allzu oft in irgendeinem Geschäft aus dem ich nichts brauchte. Ich hatte auch vor einiger Zeit beschlossen, nichts mehr grundlos zu kaufen, nur weil ich noch eine Stufe benötigte. Die Händler haben sich an mich gewöhnt und ich betrachte das Ganze als besondere Form des Kundenservice. In Geschäften, die ich zum ersten Mal betrete, ist das verständlicherweise noch ein wenig anders.
Naja, an diesem Mittwoch verlief alles gut. Auf dem Rückweg stieg ich aus, lief die ersten zwanzig Stufen hinauf und dann die zweiten. Die zweiten Zwanzig die das Gerade, das Schöne ergeben.

Aber es waren, so oft ich auch hoch und wieder hinabging(und ich ging bis tief in die Nacht), keine zwanzig Stufen mehr.
Es waren nur noch neunzehn...